Identit?t | Mehrfachidentit

Der adrette Student lebt in einem Lichtenberger Studentenwohnheim. Finanziert wird er von den Eltern, die in der DDR studiert haben und heute als Diplomaten und f?r die Friedrich-Ebert Stiftung in Hanoi t?tig sind. Sein Wirtschaftsstudium hat Linh zu Gunsten von Sozialwissenschaften abgebrochen. Den Wechsel erkl?rt er so:?
„Als ich nach Deutschland gekommen bin, war ich … erst 19. Ich habe dann auf den Rat meiner Eltern geh?rt. Obwohl ich es selbst nicht mochte, habe ich mir gesagt, dass man es mit Flei? schon hinkriegen k?nnte. Aber das stimmte nicht. Es gibt so viele Faktoren, die einen beeiflussen. Und einer davon ist Spa?.“?
Die Kinder der zweiten Generation sind, wie einer von ihnen sagt, „mal so, mal so“, .......“ charakterlich bin ich vielleicht eher deutsch, aber ich bin lieber in Vietnam“. Die Tochter einer ?nderungsschneiderin erz?hlte der vietnamesischen Soziologin Do Thi Hoang Lan:?
„Wenn ich in der Schule bin, bin ich fast eher wie eine Deutsche, aber wenn ich zuhause bin, spreche ich vietnamesisch und esse vietnamesisch. Manchmal rede ich auch Vietnamesisch mit Deutsch vermischt, das h?rt sich dann ein bisschen komisch an, aber meine Eltern verstehen mich halt.“?
Alle im Interview befragten Berliner Vietnamesen sind Deutschland eng verbunden, besch?mend eng, bedenkt man die mangelnde Wahrnehmung, die ihnen von Seiten der Mehrheitsbev?lkerung zu teil wird.?
Schon in der DDR war Ha mit ihrem Leben recht zufrieden, aber erst der Mauerfall war f?r sie ein wirklich aufw?hlendes Erlebnis:?
„Als wir noch in Vietnam waren, sagten die Leute der Kapitalismus ist gro?artig. (…) In den Anfangstagen konnte man noch nichts davon erahnen. Aber ich wollte unbedingt bleiben, um das Gro?artige selbst zu erleben. Und es hat sich best?tigt: Deutschland ist reich!!!“?
Auch ihr Ehemann kommt ?ber Deutschland ins Schw?rmen: „oftmals habe ich schon vor Freude eine Tr?ne vergossen und mich gefragt, warum dieses Volk so talentiert ist und wie die es schaffen so erfolgreich zu sein!“ Seine Erkl?rung liefert er gleich nach: „Das ist ein Land, das sich wirklich nach den Gesetzen der Natur entwickelt“ und kn?pft damit direkt an das evolution?re Gedankengut an, welches die westliche Zivilisation als H?hepunkt der menschlichen Entwicklung ansah. Von diesem Umfeld konnten er und seine Frau profitieren und sich vom kleinen Kiosk zum gro?en Restaurant mit den aufwendigen Wurzelholzm?beln emporarbeiten. „Alles hat bei uns so klein angefangen“, sagen sie „und jetzt ist es so gro?.“?
Linh Duc Nguyen hat zu allem Deutschen eine gro?e Liebe entwickelt, besonders zu den klassischen Tugenden, wie Gradlinigkeit, Entschlossenheit und Pr?zision. Seine Freunde nennen ihn schon den „kleinen Deutschen“und das nicht, weil sein Mittelname Duc, vietnamesisch f?r tugendhaft und deutsch, ist, sondern weil er deutscher sei als ein Deutscher. „Da freu ich mich dr?ber“.?

Joanna Breidenbach: Deutsch-Vietnamesische Freundschaft in Home Sweet City. Berlin 2007.


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