Heimliche Existenzen. Im Schatten der Gro?stadt
ein Text von Katja Grote, Europ?ische Ethnologin (2003) Spiele-Box direkt bestellen
Sonntag Nacht: Quietschend f?hrt der Zug aus Warschau in den Berliner Ostbahnhof ein. Als er schlie?lich zum Stehen kommt, springen die ersten Passagiere behende aus ihren Waggons. Schnell bilden sich Gruppen, nur wenige ziehen alleine los. Man unterh?lt sich, zumeist nicht in Deutsch. Es sind vor allem Polinnen und Polen, die zu so sp?ter Stunde den Ostbahnhof verlassen, um in ihre bescheidenen Quartiere zu ziehen. Mehr als neun Stunden Zugfahrt haben die meisten bereits hinter sich. Drei oder vier harte Wochen liegen vor ihnen, bevor sie dann erneut den Zug in Richtung Heimat besteigen. Etwa 100.000 Polen pendeln regelm??ig zwischen Berlin und ihrer polnischen Heimatstadt hin und her. Sie reisen als Touristen ein, gelten aber als “illegal”, sobald sie einer Besch?ftigung nachgehen. [...]
Karol ist 43 Jahre alt. Er ist verheiratet und hat drei Kinder. Seine Familie lebt in der N?he von Krakau. Als gelernter Autoschlosser fand er in Polen keine Arbeit. So fuhr er zun?chst LKW, sp?ter Taxi. Der Verdienst hielt die Familie mehr schlecht als recht ?ber Wasser. Daran ?nderten auch zw?lfst?ndige Schichten nichts. Vor allem seit die ?lteste Tochter studiert und seine Frau arbeitslos geworden ist, reicht das Geld zum Leben nicht mehr. “1000 Zloty sind einfach nicht genug f?r f?nf Personen.” Doch klagen will er nicht. Vor zwei Jahren vermittelte ihm eine seiner Schwestern, die in Berlin lebt, einen Job. Nun verlegt er im Auftrag einer Firma Fliesen und Parkett, setzt Fenster und T?ren ein oder malert und tapeziert Wohnungen. Bei ca. sechs bis sieben Euro pro Stunde kann er in sechs Wochen bis zu 3000 Euro verdienen. Daf?r arbeitet Karol zumeist 12 Stunden am Tag, sieben Tage die Woche. Freizeit g?nnt er sich nicht. Ohne seine Familie f?hlt er sich ohnehin allein. “Mein normales Leben ist in Polen. Hier? Das ist nicht normal.” Nach sechs Wochen harter Arbeit f?hrt Karol f?r zwei Wochen zu seiner Familie. Doch die Zugfahrt ist teuer und anstrengend.
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