Aktivitätsregel (90:9:1)

Anreizsysteme

Anwendungen und Systeme

Asynchrone - Synchrone Kommunikation

Relevanz oder Quantität?

Journalisten oder Wissenschaftler müssen an der Hürde der Gatekeeper und ihrer Qualitätskontrolle vorbei, wollen sie ihre Werke veröffentlichen. Es stellt sich die Frage, ob es solche Gatekeeper auch im Internet gibt. Clay Shirky (2005) sagt dazu: “The Web has an editor, it’s everybody”. Eine Qualitätskontrolle des Contents findet statt – jedoch erst nach seiner Veröffentlichung. Je mehr Nutzer ein Dokument taggen, desto mehr Relevanz scheint dieses Dokument für sie zu haben. Ist dies aber eine ernstzunehmende Qualitätskontrolle? Wird etwas zu „geprüfter“ Qualität, nur weil viele Leute dies so sehen? (Wenn viele Studenten bei einer Mathematikklausur die gleiche – falsche – Lösung bringen, wird diese nicht dadurch qualitativ wertvoll, sondern bleibt falsch. Quantität bedeutet nicht Qualität. Andererseits weist es in eine bestimmte Richtung, wenn viele Nutzer ein Stück Information mit stupid und ein anderes mit cool taggen. Dieser Content könnte für das Relevance Ranking verwertet werden.

// Peters, Isabella / Stock, Wolfgang G. 2008: Folksonomien in Wissensrepräsentation und Information Retrieval. Information - Wissenschaft & Praxis. 59(2008)2. S. 81

Glocalisation

We find community in networks, not groups (...) In networked societies: boundaries are permeable, interactions are with diverse others, onnections switch between multiple networks, and hierarchies can be flatter and recursive (...) Communities are far-flung, loosely-bounded, sparsely-knit and fragmentary. Most people operate in multiple, thinly-connected, partial comunities as they deal with networks of kin, neighbours, friend, workmates and organizational ties. Rather than fitting into the same group as those around them, each person his/her own personal community. (...) Huge increase(s) in speed (have) made door-to-door comunications residual, and made most communications place-to-place or person-to-person. (...) The household is what is visited, telephoned or emailed.

// Wellman, Barry 2001: Physical Place and Cyberplace: The Rise of Personalized Networking. In: International J. Urban and Regional research. Jg. 25. S 227-252. S. 233f

Ontologische Bodenlosigkeit

Das Leben in der Wissens-, Risiko-, Ungleichheits-, Zivil-, Einwanderungs-, Erlebnis- und Netzwerkgesellschaft verdichtet sich zu einer verallgemeinerbaren Grunderfahrung der Subjekte in den fortgeschrittenen Industrieländern: In einer "ontologischen Bodenlosigkeit", einer radikalen Enttraditionalisierung, dem Verlust von unstrittig akzeptierten Lebenskonzepten, übernehmbaren Identitätsmustern und normativen Koordinaten. Subjekte erleben sich als Darsteller auf einer gesellschaftlichen Bühne, ohne dass ihnen fertige Drehbücher geliefert würden. Genau in dieser Grunderfahrung wird die Ambivalenz der aktuellen Lebensverhältnisse spürbar. Es klingt natürlich für Subjekte verheißungsvoll, wenn ihnen vermittelt wird, dass sie ihre Drehbücher selbst schreiben dürften, ein Stück eigenes Leben entwerfen, inszenieren und realisieren könnten. Die Voraussetzungen dafür, dass diese Chance auch realisiert werden können, sind allerdings bedeutend. Die erforderlichen materiellen, sozialen und psychischen Ressourcen sind oft nicht vorhanden und dann wird die gesellschaftliche Notwendigkeit und Norm der Selbstgestaltung zu einer schwer erträglichen Aufgabe, der man sich gerne entziehen möchte. Die Aufforderung, sich selbstbewusst zu inszenieren, hat ohne Zugang zu der erforderlichen Ressourcen, etwas zynisches.

// Keupp, Heiner 2003: Identitätskonstruktion. Vortrag bei der 5. bundesweiten Fachtagung zur Erlebnispädagogik am 22.09.2003 in Magdeburg; Online im Internet: www.ipp-muenchen.de/texte/identitaetskonstruktion.pdf (29.06.2010)

Why People Choose Work Group Members?

In our study, people are choosing group members for future projects based on people’s reputation for competence. People may not actually know each other’s grades or the number of hours put in on previous projects, but it is clear that a reputation for competence is developed and circulates within the organization. Further, it is an important basis on which people develop their preferences for future group members. It is interesting to note that grade point average was not a significant predictor of being chosen as a team member. This may indicate that people do not choose others based on general indicators of competence or that information on grade point average and general competence circulate less freely in these groups or are harder to assess.
Finally, we hypothesized that people would choose others with whom they were already familiar for future work groups. This hypothesis was partially supported. But, our analysis indicates that familiarity alone is not adequate to generate a future work tie. During the course of project 1, people established working relationships with others in their group. These relationships varied over time, but on average, each person had either a strong or weak tie with each other member in his or her current group. Where there were strong ties, people elected to continue those relationships in future work groups. This is consistent with Kilduff’s (1990) finding that MBA students, when they look for jobs, want to work in the same companies as their friends. These data suggest that familiarity may lead to an awareness of whether or not an ongoing working relationship is effective. If a relationship is successful, then people are especially inclined to repeat it. This is consistent with our argument that people are seeking to reduce uncertainty in their choice of future group members. Although there may be better group members in the organization, people are choosing a “sure thing” rather than taking the risk of working with someone who has a work style and work ethic with which they do not have personal experience.

// Hinds, Pamela J. / Carley, Kathleen M. / Krackhardt, David/ Wholey, Doug 2000: Choosing Work Group Members: Balancing Similarity, Competence, and Familiarity In: Organizational Behavior and Human Decision Processes Vol. 81, No. 2, March, S.

Mehr Zitate




Aktivitätsregel (90:9:1)


Wissensumwandlung verlangt einen Wissensfluss, der letztendlich nur durch Kommunikation der beteiligten Akteure möglich ist. Gerade in großen Netzwerken jedoch, in denen ein Gruppenbildungsprozess bedingt durch Anzahl und Unterschiedlichkeit der Akteure nicht zu verbindlichen Gruppennormen führen kann, ist der Aktivitätsgrad als Verhältniszahl zwischen aktiven und inaktiven Akteuren von großer Bedeutung. In den allermeisten Communities liegt das Ungleichgewicht zwischen aktiven, unregelmäßig aktiven und inaktiven Nutzern bei einem Verhältnis von 1:9:90, dies gilt mittlerweile als Aktivitätsregel.

Begriffsklärung
Um Wissen auszutauschen muss Wissen umgewandelt werden. Wir können nach dem SECI Modell vier Form der Wissensumwandlung unterscheiden Socialisation, Externalisation, Combination und Internalisation. Diese Prozesse sind sozialer Natur und verlangen daher soziale Akteure, die innerhalb von sozialen Systemen in einer Beziehung zueinander stehen oder anders ausgedrückt, „flie?t Wissen daher in einem Netz von Knoten, die Beziehungen zueinander aufweisen.“ (Müller 2008, S. 173) 
Geringe Partizipation heißt somit auch geringer Wissensfluss und damit die Einschr?nkung der Externalisierung von Wissen auf wenige aktive Akteure. Jakob Nielsen, den die New York Times als Guru der Web Usability bezeichnet, hat das Phänomen der Partizipation von nur sehr kleinen Gruppen in gro?en sozialen Netzwerken auf die einfache Aktivitätsregel 90:9:1 gebracht. „All large-scale, multi-user communities and online social networks that rely on users to contribute content or build services share one property: most users don't participate very much. Often, they simply lurk in the background In contrast, a tiny minority of users usually accounts for a disproportionately large amount of the content and other system activity.“ Hei?t es in Jakob Nislen`s Alertbox vom 9. Oktober 2006 (Nielsen 2006).
90 % der Nutzer sind nicht aktiv und werden von Nielsen als Lurker (Frei ?bersetzt: Herumschleicher) bezeichnet. Internetnutzer also, die sich Inhalte ansehen, aber selbst nicht an internetbasierten sozialen Prozessen teilnehmen wie die Kommentierung, Ergänzung oder Erweiterung. 9% beteiligen sich unregelmäßig an sozialen Prozessen und nur 1% können als sehr aktive Nutzer gelten. Diese Aktivitätsregel ist wahrlich kein Gesetz und wird bei den allermeisten Blogs auch im Missverhältnis häufig übertroffen. „Blogs have even worse participation inequality than is evident in the 90-9-1 rule that characterizes most online communities. With blogs, the rule is more like 95-5-0.1.“ (Nielsen 2006)
Im Sinne der modifizierten Badewanne von Stegbauer ist  also nur ein sehr kleiner Teil des gesamten Netzwerks durch eine positionale Bestimmung in ihrem Handeln motiviert. Für eine Mehrheit gilt das ideologische und zunehmende produktorientierte Außenbild als gegeben, Wikipedia also als Marke, ohne dass dies eigene Handlungskonsequenzen jenseits einer nur passiven Konsumption hervorruft.

 


Anwendung



Das von Nielsen beschriebene Phänomen ist weder neu, noch auf virtuelle soziale Netzwerke beschränkt. Aus der Forschung über Gruppengröße und Gruppeneffektivität wissen wir, dass mit zunehmender Gruppengröße die Leistung des Einzelnen und der Gruppe gesamt sinkt. (Rosenstiel 1995) Die kontinuierlich abnehmende Bereitschaft zur Partizipation ist in realen sozialen Systemen genauso verbreitet wie in virtuellen. Die durchschnittliche Wahlbeteiligung in den allermeisten westlich-europäischen Ländern liegt selten über 70% und nimmt bei Wahlen für das Europaparlament auf ein Niveau von etwa 50% ab. Der Aktivitätsgrad, so scheint eine Regel bei allen sozialen Handlungen, nimmt ab, je weiter das Geschehen von eigenem realen Wirken entfernt zu sein scheint und je weniger eine echte Partizipation auch evident wird.
Die Veröffentlichung des eigenen Kommentars auf einen Blogeintrag scheint in diesem Sinne nicht mehr als Teilhabe, also gleichberechtigte Mitgestaltung eine Kommunikationsprozesses empfunden zu werden, sondern lediglich als Ausschmückung der Kommunikationsanstrengungen des Anderen, denn wie Nielsen richtig ausführt kann man die Aktivitätspyramide auch problemlos auf die Spitze stellen. Wenn nur 1% aktive Teilnehmer sind, so stammen von diesen 1% doch zumeist 90% der Postings also der Beiträge in Foren oder Kommentare in Blogs. Von den herumschleichenden 90% erfahren wir auf direktem Weg nichts. Wir wissen nicht, ob sie auch in Zukunft vorbei schauen werden, ob sie irgendetwas mitgenommen haben oder sie vom Geschehen gelangweilt waren.
Für das Online Marketing hilft hier  immer ausgefeiltere Trackingsoftware, die Herkunft der Nutzer, Verweildauer auf einer Seite oder die Anzahl der besichtigten Seiten auslesen können. Für das Management von Prozessen der Wissensumwandlung müssen wir uns der Grenzen der Partizipation und dessen Folgen  bewusst sein. Diese gelten nämlich analog ebenso für ein systematisches Customer Relationship Management oder auch den Problemen des organisationalen Lernens. Wir beschäftigen uns überproportional viel mit den 1% aktiven Teilnehmern, anstatt  uns mit den  Handlungsweisen und Verweigerungsgründen der 90% Lurker auseinanderzusetzen.

Wer viel spricht, den hören viele.


© Thomas Sakschewski

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Literatur | Links