Relevanz oder Quantität?
Journalisten oder Wissenschaftler müssen an der Hürde der Gatekeeper und ihrer Qualitätskontrolle vorbei, wollen sie ihre Werke veröffentlichen. Es stellt sich die Frage, ob es solche Gatekeeper auch im Internet gibt. Clay Shirky (2005) sagt dazu: “The Web has an editor, it’s everybody”. Eine Qualitätskontrolle des Contents findet statt – jedoch erst nach seiner Veröffentlichung. Je mehr Nutzer ein Dokument taggen, desto mehr Relevanz scheint dieses Dokument für sie zu haben. Ist dies aber eine ernstzunehmende Qualitätskontrolle? Wird etwas zu „geprüfter“ Qualität, nur weil viele Leute dies so sehen? (Wenn viele Studenten bei einer Mathematikklausur die gleiche – falsche – Lösung bringen, wird diese nicht dadurch qualitativ wertvoll, sondern bleibt falsch. Quantität bedeutet nicht Qualität. Andererseits weist es in eine bestimmte Richtung, wenn viele Nutzer ein Stück Information mit stupid und ein anderes mit cool taggen. Dieser Content könnte für das Relevance Ranking verwertet werden.
// Peters, Isabella / Stock, Wolfgang G. 2008: Folksonomien in Wissensrepräsentation und Information Retrieval. Information - Wissenschaft & Praxis. 59(2008)2. S. 81
Glocalisation
We find community in networks, not groups (...) In networked societies: boundaries are permeable, interactions are with diverse others, onnections switch between multiple networks, and hierarchies can be flatter and recursive (...) Communities are far-flung, loosely-bounded, sparsely-knit and fragmentary. Most people operate in multiple, thinly-connected, partial comunities as they deal with networks of kin, neighbours, friend, workmates and organizational ties. Rather than fitting into the same group as those around them, each person his/her own personal community. (...) Huge increase(s) in speed (have) made door-to-door comunications residual, and made most communications place-to-place or person-to-person. (...) The household is what is visited, telephoned or emailed.
// Wellman, Barry 2001: Physical Place and Cyberplace: The Rise of Personalized Networking. In: International J. Urban and Regional research. Jg. 25. S 227-252. S. 233f
Ontologische Bodenlosigkeit
Das Leben in der Wissens-, Risiko-, Ungleichheits-, Zivil-, Einwanderungs-, Erlebnis- und Netzwerkgesellschaft verdichtet sich zu einer verallgemeinerbaren Grunderfahrung der Subjekte in den fortgeschrittenen Industrieländern: In einer "ontologischen Bodenlosigkeit", einer radikalen Enttraditionalisierung, dem Verlust von unstrittig akzeptierten Lebenskonzepten, übernehmbaren Identitätsmustern und normativen Koordinaten. Subjekte erleben sich als Darsteller auf einer gesellschaftlichen Bühne, ohne dass ihnen fertige Drehbücher geliefert würden. Genau in dieser Grunderfahrung wird die Ambivalenz der aktuellen Lebensverhältnisse spürbar. Es klingt natürlich für Subjekte verheißungsvoll, wenn ihnen vermittelt wird, dass sie ihre Drehbücher selbst schreiben dürften, ein Stück eigenes Leben entwerfen, inszenieren und realisieren könnten. Die Voraussetzungen dafür, dass diese Chance auch realisiert werden können, sind allerdings bedeutend. Die erforderlichen materiellen, sozialen und psychischen Ressourcen sind oft nicht vorhanden und dann wird die gesellschaftliche Notwendigkeit und Norm der Selbstgestaltung zu einer schwer erträglichen Aufgabe, der man sich gerne entziehen möchte. Die Aufforderung, sich selbstbewusst zu inszenieren, hat ohne Zugang zu der erforderlichen Ressourcen, etwas zynisches.
// Keupp, Heiner 2003: Identitätskonstruktion. Vortrag bei der 5. bundesweiten Fachtagung zur Erlebnispädagogik am 22.09.2003 in Magdeburg; Online im Internet: www.ipp-muenchen.de/texte/identitaetskonstruktion.pdf (29.06.2010)
Why People Choose Work Group Members?
In our study, people are choosing group members for future projects based on people’s reputation for competence. People may not actually know each other’s grades or the number of hours put in on previous projects, but it is clear that a reputation for competence is developed and circulates within the organization. Further, it is an important basis on which people develop their preferences for future group members. It is interesting to note that grade point average was not a significant predictor of being chosen as a team member. This may indicate that people do not choose others based on general indicators of competence or that information on grade point average and general competence circulate less freely in these groups or are harder to assess.
Finally, we hypothesized that people would choose others with whom they were already familiar for future work groups. This hypothesis was partially supported. But, our analysis indicates that familiarity alone is not adequate to generate a future work tie. During the course of project 1, people established working relationships with others in their group. These relationships varied over time, but on average, each person had either a strong or weak tie with each other member in his or her current group. Where there were strong ties, people elected to continue those relationships in future work groups. This is consistent with Kilduff’s (1990) finding that MBA students, when they look for jobs, want to work in the same companies as their friends. These data suggest that familiarity may lead to an awareness of whether or not an ongoing working relationship is effective. If a relationship is successful, then people are especially inclined to repeat it. This is consistent with our argument that people are seeking to reduce uncertainty in their choice of future group members. Although there may be better group members in the organization, people are choosing a “sure thing” rather than taking the risk of working with someone who has a work style and work ethic with which they do not have personal experience.
// Hinds, Pamela J. / Carley, Kathleen M. / Krackhardt, David/ Wholey, Doug 2000: Choosing Work Group Members: Balancing Similarity, Competence, and Familiarity In: Organizational Behavior and Human Decision Processes Vol. 81, No. 2, March, S.
Wikinomics
Das Modell von Wikipedia ist bestechend. Der Erfolg atemberaubend. Was jahrelange Forschung in mühsamer methodischer Kleinarbeit versuchten in den Betrieben umzusetzen, passierte so einfach, so schnell, so brillant und nicht zuletzt so qualitätsvoll. Der Wissensaustausch anonym, kompetent, über alle Grenzen und dazu noch ohne jegliche Gegenleistung. Die Phrase von der Weisheit der Vielen geisterte von Mund zu Mund, von Rechner zu Rechner. Selbst der massive Widerstand der altehrwürdigen Enzyklopädisten des Wissens der Brockhäuser und British Encyclopaedia verzögerten die totale Durchdringung von Wikipedia und unzähligen weiteren Wikis in alle Bereiche der Wissenserzeugung und –weitergabe nur unmerklich. Heute greift selbst online im ersten Schritt kaum jemand mehr zu einer Fachbibliothek. Was liegt da näher als Wikis zum Allheilmittel für ein betriebliches Wissensmanagement zu empfehlen und statt teurer Speziallösungen schnell ein Wiki auf den Server aufzuspielen. Doch Vorsicht! Wer aus der Wikipedia Erfolgsgeschichte nur den Klappentext nutzt, kann zwar mitreden, doch wird nie erfahren, wie die Geschichte weitergeht.
Begriffsklärung
Don Tapscott und Anthony D. Williams 2007 haben in ihrem gleichnamigen Buch den Begriff der Wikinomics geprägt, um die wirtschaftlichen Veränderungen zu beschreiben, die durch partizipative Plattformen entstanden. Man muss nicht von einer Revolution im Netz sprechen, wie die beiden Autoren marktgerecht untertiteln, um anzuerkennen, dass seit dem Anno Zero von Wikipedia, Google und Co. in einem Jahrzehnt ein Jahrhundert neu vermessen wurde. Die Strategien und Methoden der Wissensgenerierung haben sich ebenso komplett verändert, wie das Verständnis von Lernen und Lehre. Wenn Informationen zumindest in der reichen westlichen Welt immer und überall, schnell und in großer Vielfalt parat ist, liegt die Kompetenz des Einzelnen nicht mehr in der Herstellung von Suchergebnissen, sondern in der Auswahl und Bewertung der vorliegenden Informationen. Die Umbrüche und Veränderungen blieben nicht auf eine direkte Konkurrenz beschränkt, sondern haben alle Branchen durchdrungen.
„Kluge Firmen haben begriffen, dass Teilen mehr ist als eine Benimmvorschrift. Es hilft Kosten zu senken Gemeinschaften aufzubauen, Entdeckungen zu beschleunigen und alle Boote zu heben. Tatsächlich entstehen dadurch, dass immer mehr Personen und Organisationen bereit sind, zu teilen, mächtige neue Wirtschaftssysteme des Teilens und ein reicher Schatz öffentlicher Güter im Web.“ (Tapscott und Williams 2007, S. 284) Kooperation als Wirtschaftsgut? Dabei scheint man die Kooperation doch ganz umsonst bekommen zu können, denn die „Weisheit der Vielen“ bestätigt sich doch beständig selbst. Oder nicht?
Die Bedingungen, warum plötzlich Viele so viel klüger sein sollen als Einer, sind sehr spezifisch und nicht so einfach auf alle Lebenssituationen übertragbar. Das Verhalten der Menschen ist eben nur selten weise und bei Vielen, in Massen ist Weisheit eine rare Ausnahme. Die Forschung zum Verhalten der Massen in gefährlichen Situationen bei Feuer, Notfällen und Katastrophen zeigt nämlich ein ganz anderes Bild.
In den Niederlanden reichte im Mai dieses Jahres ein einzelner Besucher aus, der während der Schweigeminute angefangen hatte laut zu schreien. Die Besucher liefen daraufhin panisch auseinander, rannten Absperrungen um und rissen andere Teilnehmer zu Boden, die von der aufgebrachten Masse einfach überrannt wurden. Mehr als 50 Menschen sind dabei verletzt worden. Bei einer der weltweit größten religiösen Versammlungen in der nordindischen Stadt Haridwar in Indien sind im April durch eine Massenpanik mindestens sieben Menschen zu Tode getrampelt worden. Und unauslöschbar sind die Bilder von Massenpaniken in Stadien Südafrika und Ghana oder von den alljährlichen Gefahren auf dem Pilgerweg zu Kabba in Mekka in das kollektive Gedächtnis eingebrannt. Diese Vielen sollen klüger sein als der Einzelne?
Ein Abgleich von Simulationen mikroskopischer Entfluchtungsanalysen mit Filmaufnahmen realer Notsituationen bei Veranstaltungen konnte belegen, dass Vorhersagen zum Verhalten einzelner Personen mit nur wenigen Parametern möglich sind. Im Gegensatz zu Flussrechnungen, die Personenströme wie Flössigkeitsströme behandeln, also makroskopisch, wird in der mikroskopischen Entfluchtungsanalyse die Bewegung jeder einzelnen Person dargestellt. Dabei verfügt jede Person über individuelle Fähigkeiten, die ihr Verhalten charakterisieren. Die mikroskopische Entfluchtungsanalyse liefert sowohl Aussagen zur Gesamtentfluchtungsdauer als auch über Orte und Dauer von Stauungen. Soziale Parameter wie Gesellschaftsschicht oder Bildung sind für die Genauigkeit der Vorhersage gegenüber Faktoren wie Nähe zur Notfallursache (Hitzeeinwirkung bei Feuer oder Sichtweite durch Rauchbildung) oder Gehgeschwindigkeit zu vernachlässigen und werden daher gar nicht mathematisch modelliert. Die Berechnung der Entfluchtungsdauer erfolgt durch die Analyse eines oder mehrerer Szenarien.
Ein Szenarium ist lediglich durch eine Geometrie des Raums, eine Anfangspersonenverteilung, eine Routenverteilung und die statistische Zusammensetzung der Population definiert. Diese Parameter reichen aus, um die Weisheit der Vielen im extremen Notfall zu charakterisieren und zu simulieren, wie Einbuchtungen in Fluchtwegen zu Todesfallen oder Räume nur deswegen zu Gefängnissen werden, weil zu viele in Panik gleichzeitig zum nächsten Notausgang flüchten, anstatt die etwas weiter entfernten, nicht blockierten Ausgänge zu wählen. Als Grundlage für die Behauptung, dass Viele klüger seien als der Einzelne reicht dies wohl kaum. Rau (Rau 2007, S. 199) vergleicht diese Prozesse mit den parallel verlaufenden Effekten der Demokratisierung von Inhalten, wie sie vielen sozialen Netzwerken eigen ist und der Kommerzialisierung von Inhalten andererseits. „Beide Ansätze bedingen", so Rau, „eine mit wachsender Teilnehmerzahl zunehmende Befriedigung immer enger gefasster Zielgruppen einerseits (Segmentierung bis hin zur Individualisierung), andererseits aber wird im gleichen Atemzug die Bedienung eines kleinsten gemeinsamen Nenners unterstützt (Nivellierung bis hin zur Trivialisierung)."
Betrachten wir ein Wiki als ein Informations- und Kommunikationssystem erlaubt diese einem Nutzer Inhalte schnell und unkompliziert einer großen Anzahl von weiteren Nutzern zugänglich zu machen Blaschke (2008, S.186). Der Nutzer schreibt direkt in seinem Browser einen Text und stellt diesen als Teil einer Webseite im Wiki zur Verf?gung. Kommunikation und mithin Kollaboration kommt aber erst dann zustande, wenn ein Leser sich des Verstehens einer Webseite bemüht. Blaschke (2008, S.187) meint sogar, dass jede Webseite nur als Möglichkeit einer Kommunikation gesehen werden kann. Betrachtet man aber nicht nur diesen allgemeinen Kommunikationsprozess einer Webseite als Kommunikationsangebot, sondern die wikiinhärente Kommunikation durch die kollaborative Praxis der Bearbeitung, dann kann sehr wohl sogar von einer direkten Kommunikation gesprochen werden, die nicht nur den Autor der jeweils jüngsten Version einbezieht, sondern eigentlich alle an der Entstehung eines Artikels beteiligten Autoren.
Als Grundvoraussetzungen für ein „Wisdom of the Crowd“ könnenn daher andere Faktoren gelten. Denn die Weisheit der Vielen ist gekennzeichnet durch Vielfalt, Unabhängigkeit des Einzelnen, Dezentralisierung und die Möglichkeit zur Bildung einer Gruppenaussage durch geeignete Verfahren. (vergl. Komus und Wauch 2008, S. 144) Für den Erfolg von Social Software-Systemen nennen die Autoren zehn Erfolgsfaktoren, die jenseits der einfach nutzbaren Technologie verschiedene Managementfelder darstellen. Das Gemeinschaftsgefühl, das sich in einer gemeinsamen Vision oder einem gemeinsamen Ziel niederschlägt, wenn es dann nicht zu einer reinen Willensäußerung im Sinne eines aufoktroyierten Mission Statements verkommen will, ist sicherlich auch im Sinne von Coleman die wesentliche Grundlage für den Erfolg sozialer Software. Dieses Wir-Gefühl, der partizipatorische Charakter der Software ist die wesentliche Ausdrucksform dieses Gemeinschaftsgefühls. Inwieweit diese Partizipation als authentisch empfunden wird, begründet die Vertrauenskultur als ein Erfolgsfaktor, der sich in der direkten Arbeit im operativen System ohne Zwischenkontrolle widerspiegelt. Als weitere Erfolgsfaktoren nennen die Autoren die flexible Regelauslegung, die sich vor allem durch das Primat der Ergebnisbewertung vor Regelkonformität darstellen lässt, also einem geringeren Formalisierungsgrad als in Organisationen üblich. In diesem Sinne ist die Forderung nach einem Mix verschiedener Herrschaftsformen zu verstehen als eine auf Kompetenz basierende Autorität, die durch ihr Handeln und Wirken z.B. durch die Anzahl von Beiträgen oder die Summe der korrigierten Artikel und nicht nur durch Benennung eine Positionsmacht erzielt. Ein wichtiger, aber von Komus und Wauch 2008 nur sehr ungenau eingeführter Faktor für den Erfolg sozialer Software stellt sicherlich die Selbstverwirklichung dar. Doch die einfache Einfügung von nicht weiter erläuterten und nur schwerlich zu quantifizierenden intrinsischen Motiven ist wenig hilfreich.
Wenn auch die Autoren - von Rosenstiel (Komus und Wauch 2008, S. 149) zitierend - anführen, dass materielle Anreize die Wirkung intrinsischer Motivation untergraben und eher dazu führen, dass nur im Rahmen des spezifischen Ziels gute Arbeit geleistet wird, aber nicht darüber hinaus, kann eine Kosten-Nutzenbetrachtung durch Berücksichtigung der Position sehr wohl auch bei Wikipedia durchgeführt werden (Stegbauer 2009, S. 25ff). Intuitiv bedienbare, benutzerfreundliche Technologie gepaart mit einer geringen technischen Mindestanforderung bilden die technologische Basis für die Erfolgsfaktoren von sozialer Software und damit auch die Grundvoraussetzung für die emergente und inkrementelle Entwicklung, also die ungeplante und spontane, unstrukturierte aber kontinuierlich wachsende Entwicklung. Widersprüchlich erscheint der zehnte Erfolgsfaktor (Komus und Wauch 2008, S. 152).
Entprivatisierung und persönlicher Stil, meint die gleichzeitige Tendenz sich pers?nlich mit einer selbst gewählten, online authentischen Identität zu äußern als auch das Private zu veräußern und so netzöffentlich zu machen, dass zwischen Privatem und öffentlichem nicht mehr zu unterscheiden ist.
Abb.: Wiki und traditionelle Wissensmanagementsysteme im Vergleich aus Komus und Wauch 2008, S. 166
Will man sich nicht in dem wenig erhellenden Geflecht altruistischer Beweggründe zu verlieren, bleibt wenig Raum für eine Theorie der Wikinomics. In der sehr präzisen und tief reichenden Auseinandersetzung mit den Strukturen und Prozessen bei Wikipedia untertitelt Christian Stegbauer Wikipedia mit dem „Rätsel der Kooperation“, denn aus Sicht der ökonomischen Handlungstheorie ist die hohe Beteiligungsrate bei Wikipedia kaum zu erklären, weil die Grundvoraussetzungen wie ein hoher Nutzen für einen größeren Anteil von Beteiligten, die Geschlossenheit der Gruppe als Garant für kollektives Handeln oder der Lösung des Trittbrettfahrerproblems. (Stegbauer 2009) Für den Erfolg der Beteiligungen aus netzwerkanalytischer Sicht entwickelt Stegbauer ein Modell, das die Rational-Choice-Theorie weiterentwickelt und zwischen der individuellen Mikroebene und der gesellschaftlichen Makroebene eine Mesoebene des Handelns in der Gruppe beschreibt, das Mikro- und Makroebene verbindet. Er modifiziert so die Colemansche Badewanne um ein netzwerktheoretisches Gedankengerüst, in dem die durch die Beteiligung zu erringende Positionierung zum wesentlichen Motiv des persönlichen Handelns wird.
Die Stellung im Positionsgefüge ist hochwirksam und konnte vielfach in Experimenten der Sozialpsychologie nachgewiesen werden. Stegbauer (Stegbauer 2009, S. 38) verweist hier besonders Zimbardo und andere (1974), die aus einer Gruppe von Versuchspersonen zufällig Positionen als Gefängnisinsassen und Gefängniswärter vergeben haben. Die sich aus der Positionszuweisung ergebenden Rollen waren in einem so starken Maße wirksam, dass das gewählte Bestrafungsmaß der Gefängniswärter bei Fehlverhalten der Gefängnisinsassen so stark war, dass das Experiment abgebrochen werden musste. Wir können in vielen sehr unterschiedlichen Situationen beobachten, dass sich eine starke Verpflichtung zu einem rollenstringenten Verhalten aus einer einmalig eingenommen Positionen ergibt.
Die Positionen sind dabei in erster Linie sozialer Natur, nur kennen wir auch die Fortsetzung in einer räumlichen Dimension. Bei wiederkehrenden Arztbesuchen nehmen die Patienten zumeist dieselben Pl?tze im Warteraum ein. Unabhängig davon, ob dieser Platz durch Position zum Fenster oder Nähe zur Tür objektiv besser ist. Studierende zielen bei wechselnden Hörsälen und unterschiedlichen Seminaren auf ähnliche Plätze. „Die Positionen bilden sich in der Auseinandersetzung mit den anderen heraus. Je nach Position entstehen aber unterschiedliche Anforderungen, muss Unterschiedliches Erledigt werden. Sind Positionen bereits besetzt, ist es schwer für Neulinge in eine solche Position zu kommen. Das bedeutet, dass auch bei Projekten, die nach ihrer Ideologie freie Zugänglichkeit versprechen und eine Art „Basisdemokratie“ pflegen, das Senioritätsprinzip nicht zu hintergehen ist. Je länger jemand „dabei“ ist, umso mehr Möglichkeiten hat er, Meriten zu verdienen.“ (Stegbauer 2009, S. 60) Ein weiterer Faktor ergänzt das Modell von Stegbauer zur Erklärung des Phänomens der Kooperation, denn nicht nur wird das Verhalten des Einzelnen über die errungene Rolle aus der Position bestimmt, sondern auch das kollektive Verhalten ist in einer sozialen Formation, die aus mehreren Personen besteht, anders, denn das Verhalten der Gruppe referenziert sich selbst. Das, was die Menschen in der Umwelt über die Verhaltensweisen der Gruppe denken, tritt dabei in den Hintergrund. Was für Fußballfans gilt, die sich über gleiche Schals, Aufnäher und Fahnen definieren, trifft auch auf die pseudonyme Gruppe der Wikipedianer zu. Die Distinktionsmacht wird hier nicht durch Kleidung, Hautfarbe oder Schicht definiert, sondern allein in der gemeinsamen Arbeit an einer Idee, die größer als der Einzelne ist. Die Weisheit der Massen, ist also im eigentlichen Sinne kein Massen- sondern ein Gruppen- und Cliquenphänomen, das sich über das Modell der modifizierten Colemanschen Badewanne sehr genau beschreiben lässt.
Anwendung
Bei der Einführung eines Unternehmenswikis als Instrument für Wissensmanagement im Betrieb müssen einige wesentliche Unterschiede zwischen Wikipedia und einem Unternehmenswiki berücksichtigt werden. Ein grundlegender Unterschied besteht in der Vision oder im partizipatorischen Sinne besser Selbstverständnis eines Wikis. Während die technologische Plattform von Wikipedia entwickelt wurde, um die weltweit größte Online Enzyklopädie zu werden, hat ein Unternehmenswiki keinerlei enzyklopädischen Anspruch, sondern soll Mitarbeiter und Führungskräfte dabei unterstützen Arbeitsabläufe und Prozesse, begleitende Gesetze und Vorschriften, Regeln und Dokumente zu sammeln und im Unternehmen den Kollegen zur Verfügung zu stellen. Die Ansprüche an die aufgeführten Artikel sind daher viel mehr pragmatischer und zweckgebundener Natur als bei Wikipedia, denn sie sollen schnell und effizient im direkten Problemfall Unterstützung oder Lösung bieten (Ebersbach, Krimmel und Warta 2008. S. 138) . Auf der Autoren-Ebene liegt ein wesentlicher Unterschied zwischen Wikipedia und Unternehmenswiki in der fehlenden Anonymität. Während registrierte Nutzer pseudonym anhand ihres Login-Namens zumindest netzbezogen identifiziert werden können, bleiben viele Nutzer vollständig anonym und sind lediglich über eine IP-Adresse identifizierbar, die nur über Umwegen eine personelle Zuordnung erlauben. In einem Unternehmenswiki können zumeist alle Nutzer identifiziert werden. Die Autoren sind unternehmensintern bekannt und stehen somit meist mit ihrem Realnamen und auch mit ihrer Position für das Geschriebene ein. Da die Gruppe der möglichen Autoren überschaubar bleibt, kann selbst bei einer pseudonymen Autorenschaft von einer leichten Zuordnung ausgegangen werden. Die identifizierbare Autorenschaft hat enorme Konsequenzen, die am ehesten organisational zu erklären sind. Während im demokratisch-partizipatorischen Selbstverständnis von Wikipedia, der Autor allein durch Qualität, Umfang und Anzahl der Artikel an Prestige gewinnt, widersprechen sich im Unternehmenswiki heterarchische und hierarchische Organisationsprinzipien. Der Beitrag eines Vorgesetzten muss anders und wird auch anders bewertet als der eines Kollegen oder eines Mitarbeiters. Diese widerstrebenden Prinzipien führen zwangsläufig zu Interessenskonflikten und unterschiedlichen Bewertungsmaßstäben, die schlussendlich sogar die Legitimation des Unternehmenswikis als Ganzes in Frage stellen können. Warum sollte das Wissen des Einzelnen unentgeltlich in die Organisation, in der Gestalt eines Wikis, abfließen? Gefördert wird dieser „Misstrauensvorschuss“ durch eine zumeist unfreiwillige, fremd und von oben verordnete Teilnahme. Aus Sicht der teilnehmenden Experten muss ebenfalls berücksichtigt werden, dass deren fachlich korrekten Artikel durch kooperative Bearbeitungen eher verwässert werden könnten. Eine Gefahr, die im von Eifersüchteleien, Bereichsegoismen und Barrieren geprägten Umfeld von Organisationen, durchaus real ist. Aus Unternehmenssicht kann schon das Grundmodell einer offenen Bibliothek problematisch sein, denn dies verlangt den Mut zur Transparenz, den Mut zu einer offenen diskursorientierten Unternehmenskultur, den Mut zu offenen Strukturen. Diese Vielzahl einschränkender Bedingungen zeigt schon, dass Richters (Richter 2008. S.151) Einlassung „Wikis einführen – ist doch ganz leicht“ nur ironisch gemeint sein kann. Richter stellt drastisch fest: „Ein Wiki ist ein offenes, tolerantes System, welches Transparenz und Mitbestimmung fördert, aber von den Nutzern auch fordert. Organisation von unten, ein hoher Partizipationsanteil der Nutzer an Strukturen und Inhalten sowie die Freiheit das System nach eigenen Nutzenaspekten gestalten zu können, ist von der Unternehmensleitung mit allen Konsequenzen zu fördern. Unter anderem indem sie ein fester Bestandteil im Einführungsprozess sind.“ (Richter 2008. S.152)
Zur Einführung wird von ihr eine klassische sechsphasige Projektplanung mit folgenden Phasen vorgeschlagen:
- Ziel- und Projektdefinition,
- Ist-Analyse,
- Anforderung und Konzeption,
- Realisierung,
- Einführung des Wikis und
- Betriebsphase.
Diese Standard Phasenaufteilung hilft jedoch nur wenig weiter, da die selbst aufgestellten Anforderungen, mit technischen Lösungen nur unzureichend bewältigt werden. Das Problem divergierender Interessenslagen bleibt ebenso bestehen, wie die mangelnde Identifikation und damit Partizipation in einen als unentgeltliche Entnahme empfundenen Prozess der Externalisierung von Wissen, ob dies nun mit einem „bösen“ proprietären System des Wissensmanagements oder einem „guten“ Media-Wiki System erfolgt rückt dabei in den Hintergrund.
Die aktuellen Untersuchungsergebnisse zur Einführung eines Unternehmenswikis belegen diese grundsätzlichen Schwierigkeiten sehr genau. Ebersbach, Krimmel und Warta 2008 untersuchten das erste Jahr der Einführung eines Wikis, dem Wiki Space „Reliability Engineering Book of Knowledge“ (ReEBoK) bei Robert Bosch. In diesem ersten Jahr wurden 857 Artikel mit insgesamt 7890 Versionen von 59 Autoren erstellt. Davon wurden 236 Artikel im Rahmen einer Vorbefüllung von einer Werkstudentin geschrieben, um nicht mit einem leeren Wiki zu starten. Mehr als die Hälfte (56%) aller Artikel enthalten keine externe Links, 36% auch keine (Wiki-) internen Links. Im Durchschnitt verfügt ein Artikel über 1,5 externe und 3,5 interne Links. Das ist deutlich weniger als in Wikipedia. Nur ein Viertel der betrachteten Artikel wurden in den letzten vier Wochen das letzte Mal editiert. 40% der Artikel waren zwischen einem und sechs Monate alt und 37% der Artikel wurden vor einem halben Jahr bis einem Jahr zum letzten Mal editiert. Im Klartext bedeutet dies, dass trotz der Einführungsphase, in der das noch junge interne Medium des Wissensmanagements einen hohen Neuigkeitswert hat, fast die Hälfte aller Artikel nach Erstellung nicht mehr bearbeitet wurden. Da dies aber ein wichtiges Indiz für die Aktualität und lebendige Nutzung des Mediums im Unternehmen ist, werfen diese Zahlen einen Schatten über die Legitimation eines Unternehmenswikis am Beispiel der Einführung bei Robert Bosch, das durch weitere Kennzahlen untermauert wird. Betrachten wir nämlich die wichtigsten Aktivitätszeiten, dann werden 66% aller Editiervorgänge nachmittags nach 12 Uhr und 56% aller neuen Seiten in diesem Zeitraum erstellt. Im Wochenverlauf ist die Aktivitätskurve der aktiven Wiki-Nutzung gegenläufig eines zu vermutenden Aktivitätsverlauf der „eigentlichen“ Arbeit. Während zum Wochenbeginn am Montag die meisten Bearbeitungen erfolgen und am Freitag immerhin noch, wenn auch um ein Drittel weniger, eine hohe Aktivität zu verzeichnen ist, sinkt die Aktivität in der Wochenmitte auf weniger als die Hälfte (Ebersbach, Krimmel und Warta 2008).
Hier kann nur geschlussfolgert werden, dass das Unternehmenswiki nicht wirklich in den Arbeitsprozess integriert ist und nur in Leerlaufzeiten eine aktive Beschäftigung mit dem Instrument erfolgt. Besonders hervor zu heben ist, dass von 857 Artikeln nur 309 von mehr als einem Autor erstellt wurden und von denen weisen 191 Artikel lediglich zwei Autoren aus. Von einem kollaborativen Werkzeug kann daher lediglich bei 357 Artikel gesprochen werden. Der Durchschnitt liegt entsprechend niedrig bei nur 1,5 Autoren je Artikel. Dass dabei die allermeisten Artikel am ersten Tag mit dem Großteil ihres Artikelumfangs entstehen, versteht sich da fast von selbst. Dementsprechend gering ist der Artikelumfang. Nur wenige Artikel weisen mehr als 5.000 Zeichen auf. Da bei mehr als der Hälfte aller Artikel die Erstautoren identisch mit den Bearbeitern sind, belegt auch diese lebenszyklische Betrachtung, dass mit der Einführung eines Unternehmenswikis bei Robert Bosch wesentliche Vorzüge eines wikibasierten Wissensmanagements nicht erfolgreich auf eine unternehmensinterne Nutzung übertragen werden konnten. „Es gibt zwar 59 Mitarbeiter, die sich an der Wiki-Arbeit beteiligt haben, die meisten Bearbeitungen stammen aber von einem harten Kern von 3-5 Mitarbeitern.“ (Ebersbach, Krimmel und Warta 2008. S. 153) Ob sich aus diesem harten Kern eine unternehemensweite Integration und damit Kooperation entwickeln wird, bleibt abzuwarten. Doch feststellen lässt sich, dass das Modell von Wikipedia - so bestechend der Erfolg auch sein mag-, sich nicht rein arithmetisch in einem Unternehmen einführen lösst.
Zu einem ?hnlichen Ergebnis kommt Müller (2009, S 231ff) in ihrer graphentheoretische Analyse der Einführung eines Unternehmenswikis. Zwar seien Wikis grundsätzlich geeignet, den Wissensbedarf einer Organisation abzubilden und ihrer Fallstudie kann sie auch eine aktive Nutzung nachweisen, doch kommt sie zu ähnlichen Ergebnissen. Inhalte werden von einer einzelnen Person eingetragen und gepflegt, eine gemeinsame Bearbeitung und inhaltliche Anreicherung findet nur in geringem Umfang oder gar nicht statt. In einer Auswertung der Nutzungen in Bezug auf Nutzergruppen, Artikel und Anzahl der Revisionen verliert die Aussage jedoch schnell an Eindeutigkeit.
- Die Nutzung beschränkt sich auf spezifische Seiten. Die Anzahl der nicht genutzten Seiten steigt im Betrachtungszeitraum.
- Der Anteil der Artikelrevisionen ist hoch, was sich im vorliegenden Fall durch die betriebsinterne Vereinbarung erklären ist, dass eine Kontrolle der strukturellen Qualität der Artikel durch vom Unternehmen benannte Themenverantwortliche erfolgt.
- Das Unternehmenswiki wird in der Nutzung und bestätigt durch begleitende Interviews als sinnvolle Plattform für den Wissensaustausch empfunden, während das parallel bestehende Intranet primär als Instrument des Informationsaustausches betrachtet wird.
- Die Nutzungsintensität ist im Unternehmen stark unterschiedlich. Nur drei Unternehmensbereiche nutzen das Wiki aktiv.
- Die Anzahl der unverbundenen Dateien ist im Betrachtungszeitraum gewachsen. Dadurch hat zwar in erheblichem Ma?e die Informationsvielfalt zugenommen, doch die Chancen und Möglichkeiten einer zunehmenden Vernetzung von Inhalten durch eine Meta-Text Struktur bleiben zu wenig genutzt.
In Bezug auf die Entwicklung der Selbstorganisation im betrachteten Fallbeispiel kann Müller bei Berücksichtigung mehrerer graphentheoretischer Parameter wie die strukturelle Homogenität der Kantenverteilung, den Grad der Vernetzung oder den Aktivitätsgrad zu dem Ergebnis kommen, dass in den Untersuchungsfeldern Stabilität, Dynamik, Redundanz und Wissensfluss das eingesetzte Wiki die Wissensaustauschprozesses der Mitarbeiter im untersuchten Unternehmen verbessert. "Der Wiki-Informationsraum verbindet Wissen mit Wissen, Personen mit Wissen und Personen mit Personen und schafft damit die Integration des Informationsmanagements mit dem persönlichen Wissensmanagement zu einem Wissensnetzwerksystem." (Müller 2009, S 239)
Abb.: Bewertung der unterschiedlichen Nutzendimensionen von Wiki und Intranet laut Befragung aus Müller 2009, S 231.
Andere Resultate zeigt die Analyse der betrieblichen Wissensaustauschprozesse, die Müller 2005-2007 am Fallbeispiel eines Softwarehauses mit über 1.000 Beschäftigten vorgenommen hat, welches in zwölf Tochterunternehmen gegliedert ist. Hier wurde die Einführungsphase einer internetbasierten Wissensaustauschplattform begleitet und strukturelle und positionale Dimensionen untersucht. Die Veränderungen im Beobachtungszeitraum zeigt die unten aufgeführte Abbildung.
Abb. Entwicklung des Wiki-Informationsraums im Zeitverlauf aus Müller 2007.
Durch die Untersuchung der zwetlichen Entwicklung der Dichte in Collaboration Networks konnte Müller (2007) nachweisen, dass die Stabilität eines Netzwerks wesentlich von einzelnen, hoch vernetzten Autoren abhängt. Bei einer geringen Dichte innerhalb eines Collaboration Networks arbeiten die Autoren nicht an vielen unterschiedlichen Artikeln, sondern ändern und ergänzen nur ausgewählte Artikel von bestimmten Personen. Bei dem Fallbeispiel von Müller nimmt die Zahl der Autoren kontinuierlich zu, wodurch neue Beziehungen sich zwar entwickeln, aber nicht in der gleichen Anzahl wie die Möglichkeiten neuer Verbindungen steigen.
"Der durchschnittliche Knotengrad im Netzwerk (Network Average Degree) weist am 24.07.05 einen Wert von 1,75 und steigt kontinuierlich bis zum letzten Messpunkt auf 12,07. Obwohl also die Dichte abnimmt, steigt der durchschnittliche Grad im Netzwerk. Sie weisen eine negative Korrelation auf (-0.875). Somit steigt bei sinkender Dichte der durchschnittliche Knotengrad im Netzwerk. Dies lässt darauf schließen, dass die Zahl der neuen Autoren im Netzwerk schneller zunimmt als die Zahl der neuen Kollaborationsbeziehungen." (Müller 2007)
Um diese These zu prüfen, wurde der Knoten mit dem höchsten Knotengrad aus dem Netzwerk entfernt. Aufgrund seines hohen Grades an Vernetzungen arbeitet dieser Autor am häufigsten mit den anderen Personen innerhalb des betrieblichen Wikis zusammen. Würde diese Person die Aktiviäten im Wiki beenden, z.B. aufgrund veränderter Aufgaben innerhalb eines Projektes oder durch Auslaufen eines Projektvertrages würde dies eine Schwächung des Netzwerks bedeuten. Es könnte aber auch dazu führen, dass andere Personen diese nun frei werdende Rolle übernehmen.
Es liegt jedoch nicht nur an der Untersuchungsmethode, dass so unterschiedlich erfolgreich die Einführung eines Unternehmenswikis beurteilt werden kann. Unternehmenskultur, -struktur und -größe scheinen im wesentlichen Maße den Erfolg zu beeinflussen.Darauf deuten die Ergebnisse von Blaschke 2008 hin, der die Einführung eines Unternehmenswikis in einer Innovationsagentur untersuchen konnte, das bei einer Einführung 2006 nach einem Jahr auf eine ganz andere Anzahl von Artikeln (1482 Seiten) mit einer wesentlich umfangreicheren Anzahl von Bearbeitungen kommt (10149 Bearbeitungen). Die absolute Anzahl der Autoren ist mit ebenfalls 57 Mitarbeitern sogar identisch, doch gemessen an der Gesamtzahl aller Mitarbeiter (70 Mitarbeiter) gesamt sehr unterschiedlich. Ein weiterer Unterschied besteht in der Projektorientierung. Circa 80% der Mitarbeiter arbeiten in Projekten. Trotz dieser sehr unterschiedlichen quantitativen Aussagen zur Nutzung und der sehr verschiedenen Organisationsform kommt Blaschke zu einem ähnlichen Fazit wie bei der Einführung eines Unternehmenswikis bei Robert Bosch, dass die „Frage nach dem Erfolg des dargestellten Wikis aus Sicht der vielleicht erhofften Kollaboration verneint werden muss.“ (Blaschke 2008. S. 201) Durch die unterschiedlichen Analysemethoden aber können Rückschlüsse über Erfolgsfaktoren für ein Unternehmenswiki gemacht werden, denn Blaschke bezieht in der Analyse nicht nur die Rollen innerhalb des Wikis ein, sondern korrelieren diese mit den funktionalen Rollen. So konnte nachgewiesen werden, dass formelle und informelle Rollen zwar überlappen, aber nicht konsequent identisch sind, wie sich bei der Gruppe der Volontäre eindrucksvoll wiederspiegelt. Diese haben zwar formell einen niedrigen Rang, sind aber in der organisationalen Hierarchie wichtig für die Kollaboration. Ihnen, den Volontären, wird zwar auch Arbeit aufgetragen, aber sie nutzen den Wiki auch für eigene Belange als Informationssystem und für Dokumentationszwecke. Die überproportionale Bedeutung, die die Volontäre, in dem informellen System des Wikis in der Innovationsagentur einnehmen, ist ein weiterer Beleg für die Bedeutung der Position bei der Akzeptanz und Nutzung eines Wikis. Die undefinierte Position des Volontärs, mit der zukünftigen Chance der Übernahme durch das Unternehmen, führt zur vermehrten Nutzung des Unternehmenswikis als Instrument der Positionierung. „Interessanterweise wird eine Volontärin in naher Zukunft die Projektmanagerin des Wikis ersetzen.“ (Blaschke 2008. S. 201)
Die nur technische Einführung eines Unternehmenswikis als Instrument des Wissensmanagements führt nicht automatisch zu einer Verbesserung der Kooperation und einer Externalisierung des Wissens des Einzelnen. Ganz im Gegenteil bleiben die grundlegenden Barrieren erhalten. Erst wenn mit der Einführung auch ein Strukturwandel erfolgt oder die Integration in einem Transparenz geprägten, auch in der formellen Organisation flexiblen, heterarchischen Umfeld erfolgt, kann die Erfolgsgeschichte von Wikipedia auch in ihrer Short-Form weiter geschrieben werden. Die Veranstaltungsbranche bietet in vielen Teilen dieses Umfeld und bietet sich daher für die Einführung eines Unternehmenswikis in besonderem Maße an.
© Thomas Sakschewski
Literatur | Links
- Tapscott, Don / Williams, Anthony D. (2007): Wikinomics. Die Revolution im Netz. München: Carl Hanser
- Rau, Harald 2007: Soziale Netzwerke und die Frage der Effizienz. In: Simone Kimpeler / Michael Mangold / Wolfgang Schweiger (Hrsg): Die digitale Herausforderung. Zehn Jahre Forschung zur computervermittelten Kommunikation. Wiesbaden: VS Verlag.
- Surowiecki, James 2004: The Wisdom Of Crowds: Why The Many Are Smarter Than The Few And How Collective Wisdom Shapes Business, Economies, Societies And Nations Little, Brown
- Komus, Ayelt/ Wauch, Franziska (2008): Wikimanagement. Was Unternehmen von Social Software und Web 2.0 lernen können. München, Wien: Oldenbourg
- Coleman, James 1991: Grundlagen der Sozialtheorie. Bd. 1. M?nchen:Oldenbourg Verlag
- Stegbauer, Christian 2009: Wikipedia. Das Rätsel der Kooperation. Wiesbaden: VS Verlag
- Ebersbach, Anja / Krimmel, Knut / Warta, Alexander 2008: Kenngr??en innerbetrieblicher Wiki-Arbeit. In: Alpar, Paul / Blaschke, Steffen (Hrsg.): Web 2.0. Eine empirische Bestandsaufnahme. Wiesbaden: Vieweg+Teubner Verlag
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